DER JÜDISCHE FRIEDHOF IN PRAG

Er ist die dritte bekannte Judenbegräbnisstätte auf dem Gebiet Prags. Der älteste Jüdische Friedhof auf dem Gebiet der Stadt Prag lag wahrscheinlich an der Stelle der heutigen Míšeňská-Straße (einige Autoren sind der Meinung, dass er sich im Újezd-Raum befand. Der zweite mittelalterliche Jüdische Friedhof (Jüdischer Garten genannt) war auf dem Gebiet der späteren Neustadt am Wyschehrad-Weg. Es wurde hier wahrscheinlich vom 13. Jahrhundert bis zum Jahr 1478 begraben, als der von den Neustädtern unter Druck gesetzte Wladislaus II. den Friedhof auflösen ließ. Grabsteinfragmente mit Zeitrechnungen aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts wurden im Jahre 1866 beim Aufbau des Bürgerlichen Volksbildungshauses (Měšťanská beseda) in der Wladislaus-Straße (Vladislavova) gefunden und in den Alten Jüdischen Friedhof verlagert.

Dieser wurde offenbar an der Wende vom 14. zum 15 Jahrhundert gegründet. Der älteste erhaltene Grabstein stammt aus dem Jahr 1439. Der Friedhof wurde durch den Zukauf der herumliegenden Grundstücke mehrere Male erweitert. Es wurde hier seit 1787 nicht mehr beerdigt, als durch den Erlass von Joseph II. verboten wurde, Begräbnisstätten inmitten der bewohnten Stadtteile zu nutzen. Die jüdische Hauptbegräbnisstädte wurde dann in den einstigen Pestfriedhof auf Žižkov verlagert. Bei der Sanierung des Viertels Josefov wurde 1903 die jüdische Gemeinde gezwungen, einen Friedhofteil an den Ausbau eines neuen Verkehrswegs abzutreten (die heutige 17. listopadu-Straße). Exhumierte Überreste wurden in einem anderen Friedhofteil auf der Erhöhung Nefel vor der Klaus-Synagoge platziert, wo Anfang des 18. Jahrhunderts kleine Kinder unter 1 Monat beigesetzt wurden. Während der Sanierung ließ die Bestattungsbruderschaft anhand des Projekts vom Architekten J. Gerstel eine neue Zeremonienhalle im neuromanischen Stil bauen, die nur bis zum Beginn der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts zu ihrem Zweck genutzt wurde.

Der Alte Jüdische Friedhof enthält 12000 Grabsteine, Überreste wurden hier aber deutlich mehr beigesetzt. Viele Grabsteine sanken tief in die Unterschichten ein und weitere vor allem Holzgrabmale gingen im Laufe der Zeit kaputt. Weil religiöse Traditionen den Juden untersagen, alte Gräber zu handhaben und das Grundstück den Bedürfnissen nicht mehr genügen konnte, wurden auf den Friedhof immer wieder neue Schichten Erdboden gefahren und die alten Grabsteine in höhere Schichten gehoben, wodurch sich vielleicht bis zu 12 Schichten übereinander anhäuften und an vielen Stellen entstand die charakteristische Ansammlung von Grabsteinen aus verschiedenen Jahrhunderten nebeneinander.

An der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert lassen sich auf den ursprünglich einfachen Grabsteinen plastische Symbole und Zeichen von Geschlechtern, Namen, Ständen und Berufen sehen. In der Barockzeit kommt öfters eine gewisse Vierflachtumbe (Häuslein). Prag ist der einzige Ort in Europa, wo sich einige erhielten. Einer der Renaissancebarocksarkophage deckt das Grab des bedeutendsten Denkers des Prager Ghettos und des Rektors der Talmundschule Rabbi Jehuda Löw. Eine Renaissancetumbe hat hier der Mäzen des Prager Ghettos und der Primas der Prager Judengemeinde Mordechei Meisel. Auf vielen Grabsteinen stehen aus der jüdischen Tradition hervorgehende Symbole, z.B. eine Weintraube (Fruchtbarkeits- und Weisheitssymbol), eine Sparbüchse (Wohltätigkeitssymbol) oder der sechszackige Davidstern.

Zur Herkunft und zum Geschlecht des Gestorbenen gehören z.B. segnende Hände (Nachkommen der Kirchenpriester), eine Kanne mit einer Schüssel oder Musikinstrumente (Nachkommen der Helfer aus dem Stamm der Leviten), weiter Tiersymbole wie Personen- oder Familiennamen (Löwe, Wolf, Gans, Hahn, usw.) und Werkzeugreliefe als Berufsymbol (Mörser – Apotheker, Geige – Musiker, usw.). Die Texte tragen außer den Grundangaben auch vielfältige Lobreden und andere interessante Angaben über den Toten. Das Todes- oder Beisetzungsdatum wird manchmal durch den sog. Chronostich (Hebräisch äußert Zahlen durch Buchstaben nach deren Rangfolge im Alphabet) je nach Judenzeitrechnung geäußert, die um 3760 älter ist als die bürgerliche Zeitrechnung.

Auf dem Friedhof wachsen Ahorne, Kastanienbäume, Akazien und Holunderbeerensträucher.


Der Alte Jüdische Friedhof ist seit 1995 ein Volkskulturdenkmal.

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